01. Juni 2017
Zeit für einen Chat: Instant Messaging Dienste als Verkaufsinstrument nutzen
Die grundsätzliche Frage ob Messaging Dienste wie WhatsApp, Snapchat, Facebook Messenger oder einer der vielen anderen Services auf dem Markt kommerzielles Potenzial haben, kann mit einem Blick über die Landesgrenzen hinweg schnell beantwortet werden. Die Antwort ist „ja“! Ungefähr 30 Prozent der circa 900 Millionen aktiven Nutzer des chinesischen Messaging Dienstes WeChat nutzen diesen um Geld zu transferieren – entweder an andere Nutzer oder um beim Onlinekauf oder im Supermarkt zu bezahlen. Hinzu kommen der Einsatz im Bereich „Paid Content“ oder die zahllosen Kleinstapplikationen – Apps von Drittanbietern, die innerhalb der Messaging Dienste eine WeChat Pay-Verbindung nutzen. Das ermöglichte der Messaging Service Branche in China bereits, andere Zahlsysteme zu überflügeln; nicht nur digitale wie beispielsweise Apple Pay, sondern insbesondere „klassische“ Bezahlarten wie Barzahlung oder Kreditkarte. Grundsätzlich kann man also sagen: ja, es funktioniert.
Natürlich lässt sich die Situation in China nicht ohne weiteres auf den hiesigen Markt übertragen. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Situation hier signifikant. Das betrifft unter anderem die vorherrschende Kultur der Barzahlung oder per Lastschrift, gesetzliche Bestimmungen im Datenschutz und latente Vorbehalte gegenüber dem digitalen Geldtransfer. Banken haben obendrein eine starke Marktposition und konnten lange Zeit die Einführung von Apple Pay verhindern indem sie durch Druck auf den Einzelhandel versuchten, die Bezahlinfrastruktur zu kontrollieren. Und schließlich behindert die Tendenz, Innovationen nur langsam umzusetzen, deutsche Unternehmen bei der Integration solcher Systeme.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass derlei Hindernisse dabei sind zu fallen. Das Verhalten der Anwender ändert sich, und zwar in allen Zielgruppen, nicht nur unter dem öminösen „Millenials“, welche aktuell zu kaufkraftstarken Verbrauchern werden. Dies zeigt sich nicht nur in Design-Trends wie dem „Conversational User Interface“ – also einer dialogorientierten Benutzerführung – sondern auch in dem Schub für die Einführung von Spracherkennungssystemen und dem Hype um die Chatbots.
Die Reichweite und Akzeptanz dieser Services ist bereits ausgezeichnet, so dass es nur konsequent ist, diese auch für die direkte Kommunikation mit den Kunden zu nutzen.
Die Verabschiedung der Payment Service Direktive (PSD2) durch den deutschen Bundestag führte zu einer breiten Öffnung der Schnittstellen im Zahlungsverkehr für Drittanbietern von Payment Services und schaffte eine breite Grundlage für neue Applikationen mit direktem Zugang zum Zahlungsverkehr.
Es gibt starke Anzeichen, dass das wirtschaftliche Potenzial dieses Kanals künfig verstärkt erschlossen wird – selbst in Deutschland. Ob dies über WhatsApp erfolgen wird, ist noch eine offene Frage. Im Gegensatz zu WeChat oder Facebook Messenger stehen hier die Schnittstellen für Integrationen von Zahlfunktionen noch nicht in hinreichendem Maß zur Verfügung.
Wer evaluiert, ob und wann sich eine Investition in diesen Vertriebskanal lohnt, muss eine Vielzahl an Fragen an sich selbst und den eigenen Business Cases beantworten. Was sind die konkreten Ziele dieser Art der Kommunikation? Welche Applikation kann mir helfen, meine Zielgruppe zu erreichen? Ist eine Integration dort möglich? Werde ich eine skalierbare Infrastruktur entwickeln können, die mir erlaubt, auf einem hohen individuellen Niveau bei zugleich extrem kurzen Antwortzeiten zu kommunizieren, die idealerweise unabhängig von den Services realisiert werden. Besitzt meine Marke ein solches Maß an Vertrauen der Nutzer, dass sie Geld über ein solch informellen Kommunikationskanal transferieren würden? Muss ich mir eine Finanzinstitution wie eine Bank, die bereits dieses Vertrauen genießt, als Partner an die Seite holen? Die Frage, die jedoch vor allem anderen beantwortet werden muss ist, wie eine individuelle, im Kontext bedeutsame Kommunikation mit dem Kunden etabliert werden kann. Konkreter gesagt: wie schafft es ein Unternehmen, an einem Gruppenchat in WhatsApp teilzunehmen und dabei seine Services auf eine Weise anzubieten, die sich gut in die laufende Konversation integriert?
Oft gibt es gute Antworten auf diese Fragen und es ist zu erwarten, dass dieser Vertriebskanal großes Potenzial haben wird. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren mehr Transaktionen über Chatsysteme sehen werden. Wie so oft, braucht es nur eine Erfolgsgeschichte, um eine Welle neuer Anwendungen auszulösen.